«Wer andern gar zu wenig traut,
hat Angst an allen Ecken.
Wer gar zu viel auf andre baut,
erwacht mit Schrecken.
Es trennt sie nur ein leichter Zaun,
die beiden Sorgengründer.
Zu wenig und zu viel Vertraun
sind Nachbarskinder.»

 

Dieses wunderbare Gedicht von Wilhelm Busch mit dem Titel «Nachbarskinder» beschreibt äusserst zutreffend die Situation der Anleger nach der Aufhebung des Euromindestkurses von CHF 1.20 durch die SNB.

Mit einem «Tsunami» hat Nick Hayek, als Swatch-Chef einer der wichtigsten Manager und Arbeitgeber der Schweiz, die unmittelbaren Folgen des SNB-Schritts verglichen. Kein anderes Thema hat die Gemüter hierzulande so bewegt wie die Entkopplung des Eurowechselkurses zum Franken. Und eines lässt sich beobachten: Die Diskussion könnte kontroverser kaum sein.

Auch wir erlauben uns im Nachhinein einige Fragen. Hierbei geht es definitiv nicht um das «Ob» – dass der Schritt kommen musste, ist klar. Aber es geht um das «Wie».

War der Alleingang ratsam, ohne dies den anderen führenden Notenbanken EZB und Fed und dem Internationalen Währungsfonds zu kommunizieren? Gab es nicht wesentlich bessere Zeitpunkte in den vergangenen drei Jahren, als der Euro bequem über den CHF 1.20 notierte? Wäre nicht auch ein stufenweiser Rückzug denkbar gewesen, wie dies die US-Notenbank Fed mit ihrer Abkehr von der Tiefzinspolitik gerade tut? War es notwendig, dass die SNB noch 48 Stunden vor ihrem drastischen Schritt bekräftigte, den Mindestkurs von CHF 1.20 mit allen Mitteln zu verteidigen?

Die Folgen waren tatsächlich vergleichbar mit einem finanziellen «Tsunami». Zu viel Vertrauen in die Währungshüter öffnete künstlich erbaute Schleusen – mit fatalen Folgen: Die Schweizer Börse verlor an nur zwei Tagen 1500 Punkte oder 15 Prozent. Fast 6 Prozent der Vorsorge-Gelder wurden vernichtet. Der Franken wertete gegen die wichtigsten Währungen der Welt fast 20 Prozent auf. Da muss die Frage erlaubt sein, ob Nationalbankpräsident Thomas Jordan dieses Ausmass auch nur ansatzweise vorhergesehen hat? Sonst hätte er – vielleicht – doch ein alternatives Vorgehen gewählt.

Aber an den Märkten zählen kein «Hätte» und kein «Wäre» – also befassen wir uns konstruktiv mit der Zukunft ohne den Euromindestkurs. Durch den Kursrückgang der Schweizer Aktien sind Dividendenrenditen in der Grössenordnung von 4 bis 8 Prozent keine Seltenheit mehr. Somit bleiben Aktien auch in der Schweiz alternativlos.

Bei AGFIF International wurden verschiedene Gruppen erfasst, die mit einem starken Franken keine Probleme haben sollten oder davon gar profitieren.
Gruppe1: Unternehmen, die hierzulande ihre Cashflows in Franken erzielen wie Swisscom oder Burkhalter.

Gruppe 2: Unternehmen, die über eine sehr spezifische Produktpalette verfügen und über Preismacht verfügen: Schweiter, Inficon, Burckhardt Compression oder LEM.

Gruppe 3: profitiert von billigeren Importen wie EMS oder Valora. Sicher zu erwähnen ist der Rückversicherer Swiss Re. Mit gesunkenen Fremdwährungen sinkt auch das versicherte Risiko in der jeweiligen Fremdwährung. Last, but not least können Global Player wie Nestle dank des starken Frankens sehr vorteilhaft akquirieren.

Den Liborzins von minus 0,75 Prozent darf man auch nicht vergessen. Zahlreiche endlos laufende Obligationen in Schweizer Franken bieten sehr solide Renditen bei vertretbaren Risiken: ZKB, Raiffeisen, Allianz, Zürich Insurance, Hero oder Aryzta, um einige zu nennen. Diese Obligationen haben teilweise noch wesentlich höher notiert, als der Liborzins tief im positiven Terrain notierte.

Zurück zu den «Nachbarskindern»: Auf die gesunde Mischung und eine sorgfältige Diversifikation kommt es an. Dann – und nur dann – entscheiden Substanz und Solidität über den langfristigen Erfolg Ihrer Anlagen – und keine «leichten Zäune» zwischen zu viel oder zu wenig Vertrauen.

 

Mojmir Hlinka