von René Laemmel

Oft dachte ich mir, wer denn diese schlanke und äusserst nette und stets gut gekleidete Dame sei, die neben mir auf dem Platz den Gegnerinnen die Bälle um die Ohren drosch. Damals, ich war noch nicht lange im TC Schlieren, kamen wir erstmals ins Gespräch. Sogleich war ich fasziniert von ihrer Einstellung zum Sport und zum Leben.

Sie meinte, dass sie Tennis zelebriere, ja für den Tennissport lebe und noch viele internationale Turniere spielen möchte. Was sie in der Zwischenzeit auch erfolgreich getan hat. In der Weltrangliste 80+ wird Beatrice Wettstein auf Rang sechs geführt. Eine unglaubliche Leistung! Und im vergangenen Oktober noch war sie gar die Nummer fünf. Was für ein Aushängeschild für den Limmattaler Club! Viele Mitglieder wissen gar nicht, was für eine Ausnahmeerscheinung hier im Verein spielt.

Ihr Lieblingsball – das habe ich schnell bemerkt – ist der Stoppball. Tatsächlich gewinnen ab einem gewissen Alter diejenigen die Spiele, die die besseren Stoppbälle setzen und läuferisch noch einigermassen mithalten können. 80+ ist schon ein Alter, wo viele Spielerinnen und Spieler vermehrt auf Taktik, Trickaufschläge und eben Stopps setzen.

Angefangen hatte Beatrice Wettstein erst im hohen Tennisalter von 37 Jahren. Damals schlug sie die ersten Bälle im Club der ZKB, wo ihr Mann arbeitete. Schon damals gehörte sie zu den Schnellsten auf dem Court und gewann viele Spiele auch wegen ihrer Kondition. Die dreifache Mutter ist ein Bewegungstalent. Schnell stellten sich Fortschritte ein. Sie spielte Firmeninterclub und Turniere und bald gehörte sie zur nationalen Spitze. Wer sie bezwingen wollte, musste selbst dafür sorgen. «Es ist eher selten, dass ich über längere Zeit unter meinem Niveau spiele», kommentiert sie eine ihrer Stärken. Seit 1989 war sie fast immer für die Schweiz am Nationencup, meistens auch als Captain, dabei. Ein fünfter Platz mit dem Schweizer Team war ein toller Erfolg. Einmal wurde ihr vom amerikanischen Team sogar eine spezielle Medaille für ihren vorbildlichen Einsatz, Kampfgeist und Fairness überreicht.
«Früher war der Vorhand-Crossball mein Paradeschlag. Nach einer Verletzung musste ich aber mein Spiel komplett umstellen», sagt sie mir im Gespräch. Früher spielte sie im Winter kaum. Die harten Hallenböden taten nicht gut. Seit aber die neue Halle mit einem perfekten, federnden Boden zur Verfügung steht, sieht man sie auch im Winterhalbjahr auf dem Platz.
Auf meine Frage, ob sie einen Ausgleichssport betreibe, nennt sie Aquafit. Sie sei froh und dankbar, dass sie mit diesem Alter noch so Tennis spielen könne. Als «Motor» wirke dabei der Nationencup, der jeweils im Oktober ausgetragen wird. «Fairness ist meine oberste Maxime», fügt sie an. «Wenn jemand unfair spielt, werde ich so richtig sauer!»

Dem Wettkampftennis möchte sie noch möglichst lange nachgehen. Was gibt es Schöneres, als sich in der Natur und an der Sonne zu bewegen? Am liebsten würde sie bis ans Lebensende Tennis spielen. Ich wünsche Beatrice Wettstein – und mir –, dass sie noch viele Jahre ihrem Sport nachgehen kann. Und meine Bewunderung für sie und ihre Leistungen nimmt stetig zu.

Titelbild: Kurt Schorrer