Die Ausstellung im Museum Rietberg in Zürich präsentiert vom 17. Mai bis 22. September 2019 erstmals die jahrtausendealte Kulturgeschichte des Spiegels umfassend. Ob im alten Ägypten, bei den Maya in Mexiko, in Japan, in Venedig oder in der Kunst und im Spielfilm von heute – Zivilisationen rund um den Globus haben Spiegel hergestellt und ihnen unterschiedliche Bedeutungen und Wirkkräfte zugeschrieben. Mit 220 Kunstwerken aus 95 Museen und Sammlungen weltweit werden die wechselvolle handwerkliche und technologische Entwicklung wie auch die kulturelle und gesellschaftliche Tragweite dieses reflektierenden Mediums beleuchtet. Es geht um Spiegel als Artefakte, aber auch um Selbsterkenntnis, um Eitelkeit und Weisheit, Schönheit, Mystik und Magie und nicht zuletzt um das Spiegelmedium unserer Zeit – das Selfie.

Auf dem Weg zur Selbstbekenntnis

Neugeborene und Säuglinge interessieren sich schon früh für Gesichter. Das Gesicht der Mutter, der ersten Bezugspersonen, ist für das Kind der «erste Spiegel». Gegenseitig ahmen sie sich nach, spiegeln Gesichtszüge und Emotionen. Kleinkinder interagieren mit ihrem Spiegelbild zuerst wie mit einem «unbekannten» Gegenüber. Erst mit etwa 18 Monaten erkennen sich Kinder selbst im Spiegel. Allmählich entwickelt sich dann auch die Fähigkeit, das eigene Selbst als Objekt wahrzunehmen und es zu reflektieren.

Der griechische Philosoph Sokrates empfahl seinen Schülern, sich im Spiegel anzuschauen, um über Schönheit und Vergänglichkeit nachzudenken und die eigene Seele zu kultivieren. Die Ausstellung beginnt mit dem antiken Mythos des Narziss. Die Geschichte des jungen Mannes – der sich in sein Spiegelbild im Wasser verliebt, dann aber erkennt, dass seine Liebe aussichtslos ist und vor Verzweiflung und Auszehrung zu Tode kommt – weckte über Jahrhunderte hinweg die Fantasie kreativer Geister: Der Narziss-Mythos wurde in der Literatur, Philosophie, Kunst und Psychologie zu einem Dauerthema, wann immer es um Selbstliebe, Leben und Tod und das Selbstwertgefühl ging.

Die Kunst des Spiegels in Japan
© Museum Rietberg Zürich, Geschenk Julius Mueller
Selbstporträt und Spiegel

Die Erforschung des eigenen Gesichts im Spiegel und die künstlerische Umsetzung dieses Spiegelbilds in ein Selbstbildnis wurde in Europa seit der Renaissance zu einem eigenen Genre der Kunst. Später erweiterte die Fotografie die Möglichkeiten, sich künstlerisch selbst in Szene zu setzen, sei es durch eine Selbstinszenierung mit Selbstauslöser oder durch Reflexion in einem Spiegel. Die Ausstellung zeigt zum Thema «Selbstporträt» Werke von 20 Künstlerinnen und Fotografinnen aus vier Kontinenten – von den 1920er-Jahren bis heute. Die Reihe umfasst Fotografien von Claude Cahun und Florence Henri über Cindy Sherman und Nan Goldin bis zu Amalia Ulman und Zanele Muholi.

Die Werke gewähren Einblicke in die Ateliers der Fotografinnen, in ihre künstlerische Praxis, in das Alltagsleben von Familie und Beruf bis hin in die intimen Bereiche des Privatlebens. Ausschnitte aus Spielfilmen – mit Spiegel-Selbstgesprächen von Männern und auf Spiegel schiessenden Revolverhelden – bilden im Anschluss an die Frauenporträts ein köstliches und zugleich bedenkenswertes Kontrastprogramm.

Das Selfie-Phänomen

Da die Menschheit heute mit stets griffbereiten Kameras ausgerüstet ist, hat das fotografische Selbstporträt unter dem Namen «Selfie» eine gigantische Dimension und Verbreitung erreicht. Millionenfach finden sich im Netz unter allen möglichen Hashtags auf Armdistanz geschossene Selbstbilder. Sucht man nach «Spiegel und Selfie», so stösst man auf Bilder von Menschen, die am intimsten Ort ihres Privatlebens, dem Badezimmer, sich posieren und diese Bilder unter dem Hashtag #bathroomselfie der Welt offenbaren.

Die Fortsetzung dieses Beitrags finden Sie in unserer aktuellen Ausgabe! Erfahren Sie mehr über die Weltgeschichte des Spiegels bis hin zur interessanten Illustration von Spiegeln in Filmen.

Weitere Informationen: www.rietberg.ch

Museum Rietberg präsentiert:
SPIEGEL – DER MENSCH IM WIDERSCHEIN
17. Mai – 22. September 2019
Gablerstrasse 15
8002 Zürich
Tel. 044 415 31 31

Bilder: © 123 RF und Museum Rietberg Zürich