Hormonelles Ungleichgewicht, chronische Entzündungen und ein gestörtes Mikrobiom spielen eine zentrale Rolle bei Fettleibigkeit.

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Fettleibigkeit (BMI über 30) gilt heute als ernstes medizinisches Problem und als Bedrohung der öffentlichen Gesundheit. Eine jetzt in der renommierten Fachzeitschrift «Frontiers in Endocrinology» veröffentlichte Übersichtsarbeit zeigt, dass Ursachen von Fettleibigkeit im Zusammenspiel von Hormon-, Nerven- und Immunsystem zu suchen sind. Darüber hinaus können chronische, leichte Entzündungen und Störungen des Darmmikrobioms einen Teufelskreis auslösen, der zu Fettleibigkeit führt. Diät und Lebensstiländerung allein führen nicht immer zu einer nachhaltigen Gewichtsabnahme, und Medikamente und chirurgische Eingriffe können Nebenwirkungen haben. Daher werden neue Strategien benötigt. In diesem Zusammenhang wurde im Oktober auch eine Studie veröffentlicht, in der mehr als 11’000 Patientinnen und Patienten in der Schweiz über einen Zeitraum von 20 Jahren untersucht wurden. Die Studie zeigt, wie eine Kombination aus medizinischer Akupunktur und einer speziellen kohlenhydratarmen Diät das Körpergewicht erheblich reduzieren kann.

Die in der medizinischen Fachzeitschrift «Frontiers in Endocrinology» veröffentlichte Auswertung von mehr als 200 wissenschaftlichen Studien weltweit zeigt, wie Akupunktur den Stoffwechsel und das Hormonsystem beeinflusst. «Die Studie gibt einen klaren Überblick über die Wirkmechanismen der medizinischen Akupunktur bei der Behandlung von Adipositas», erklärt Dr. med. Raymond Landgraaf, der leitende Arzt der Studie, der in der Schweiz tätig ist. Die Studie stellt insbesondere einen wichtigen Schritt in der Erforschung der Ursachen von Fettleibigkeit dar. Aus wissenschaftlicher Sicht, so Landgraaf, sei nun klar, «dass schlechte Ernährung und Bewegungsmangel nur zwei Faktoren für die Fettleibigkeit sind und nicht die Hauptursachen. Ein neuroendokrines Ungleichgewicht, chronische Entzündungen niedrigen Grades und ein Ungleichgewicht in der Darmmikrobiota (Darmflora) sind entscheidend für die Entwicklung von Fettleibigkeit.» Landgraaf plädiert deshalb dafür, «dass wir hier mehr forschen und vor allem eine Akupunktur-Diät-Kombination einsetzen. Schliesslich verursacht Adipositas nicht nur jahrelanges Leid für die Betroffenen, sondern auch hohe wirtschaftliche Kosten. Es besteht daher ein grosser Bedarf an neuen Behandlungsstrategien.»

Akupunktur als gezielte therapeutische Lösung für komplexe Krankheitsbilder

Es ist bekannt, dass Akupunktur nachweislich den Stoffwechsel im Körper beeinflusst. Fettleibigkeit wird durch ein Ungleichgewicht zwischen Energieaufnahme und -verbrauch verursacht, das hauptsächlich auf einen westlichen Lebensstil und unausgewogene Ernährungsgewohnheiten zurückzuführen ist, die zu einer Zunahme des Fettgewebes führen. Sie wird häufig durch Stoffwechselstörungen aufgrund von Insulinresistenz verschärft, was zu Hyperglykämie, Dyslipidämie und Bluthochdruck führt (metabolisches Syndrom). Darüber hinaus haben mehrere Studien einen Zusammenhang zwischen einem hohen BMI und einer Vielzahl von nicht übertragbaren Krankheiten wie Herz-Kreislauf-Erkrankungen, Diabetes mellitus

Typ 2, verschiedenen bösartigen Erkrankungen, rheumatischen Erkrankungen, chronischen Nierenerkrankungen, akuten Atemwegsinfektionen wie COVID-19 und psychischen Störungen gezeigt. Die Anwendung der Akupunktur bei der Behandlung von Übergewicht und Adipositas war in den letzten Jahrzehnten Gegenstand der Forschung und hat sich als sichere und wirksame ergänzende Behandlung von Adipositas erwiesen.

Was passiert in einem Körper mit Übergewicht aus wissenschaftlicher Sicht?

Aus wissenschaftlicher Sicht beruht Adipositas auf einem Ungleichgewicht eines komplexen, multidirektionalen Zusammenspiels des neuroendokrinen und des Immunsystems sowie der Mikrobiota und der Darm-Hirn-Achse. Daran sind mehrere molekulare und zelluläre Wege beteiligt.

In der Homöostase sind diese Interaktionen gut koordiniert, aber in der Pathologie ist diese Interaktion gestört. Die Forschung hat gezeigt, dass die neurophysiologische Wirkung der Akupunktur offenbar durch die Aktivierung des zentralen Nervensystems koordiniert wird. Dies ist für die Regulierung des autonomen Nervensystems und folglich für die hormonelle und neuroimmune Regulierung von wesentlicher Bedeutung.

Aufgrund dieser komplexen Mechanismen deuten die für diese Studie ausgewerteten experimentellen und klinischen Studien darauf hin, dass die Akupunktur als vielseitige, auf mehrere Ziele ausgerichtete Regulationstherapie bei der Behandlung von Stoffwechselstörungen wie Adipositas dienen kann. Mehrere Studien haben Belege für die Wirksamkeit der Akupunktur, insbesondere bei der Behandlung von Fettleibigkeit, sowie für die ihr zugrunde liegenden neuroendokrinen Mechanismen gefunden.

WHO-Empfehlung zur Anwendung von Akupunktur

Aufgrund ihrer klinischen Wirksamkeit, Kosteneffizienz und geringen Nebenwirkungen wird die Akupunktur von der WHO für eine Vielzahl von Krankheiten empfohlen. Sie basiert auf einem System, das sich von der modernen westlichen Medizin unterscheidet. Die aktuelle Forschung konzentriert sich hauptsächlich auf die Klärung ihrer neurobiologischen Mechanismen. Um die physiologischen und biologischen Mechanismen der Akupunktur zu verstehen, wurden umfangreiche Grundlagen- und klinische Forschungen sowohl an Tier- als auch an Humanmodellen durchgeführt, wobei die Modulationsmechanismen aufgrund der raschen Fortschritte bei den biologischen Techniken weiter erforscht wurden. Die neuroendokrinen und immunologischen Regulationsmechanismen der Akupunktur sind heute keine Blackbox mehr.

Zitate von den Autoren der «Frontiers in Endocrinology»-Studie:

  • Dr. med. Raymond Landgraaf, Lugano: «Adipositas ist eine sehr komplexe und missverstandene Krankheit, die einen vielschichtigen Ansatz erfordert. Und Akupunktur in Kombination mit einer Diät kann eine Antwort sein.»
  • Dr. med. Massimo Fumagalli, Lugano: «Die Kombination von Akupunktur und Diät ermöglicht nicht nur eine Gewichtsabnahme, sondern hilft auch bei vielen anderen Problemen wie Angstzuständen und Schmerzen.»

Weitere Informationen und Kontakt zu den Autoren:

Marc Aubert, Sinomedica Verantwortlicher für Marketing und Kommunikation, marc.aubert@sinomedica.com