Erich Kästner hat es einmal auf den Punkt gebracht: «Tennis ist nicht nur ein Sport, sondern auch eine Kunst.»

«Jahrelang träumte ich von Ballwechseln. Mit geschlossenen Augen konnte ich meinem Schläger blind vertrauen. Alles gelang: die Rückhand longline, die Vorhand cross, der hohe, lange Entlastungslob, mit starkem Topspin gespielt. Ich bewegte mich nicht über den Platz, ich schwebte zum Ball. Es gab keine Zufälle, keine Einbrüche, kein Nervenflattern. Wenn mein Kopf auf dem Kissen lag, wurde perfektes Tennis gespielt. Ich träumte mit einer robusten Kondition, vergleichbar allein mit der Ausdauer früher erotischer Fantasien.» – Träume von Tennis – die Leidenschaft von Ilija Trojanow begann an einer Garagenwand, gegen die er als Kind Bälle schlug. Er wuchs in Kenia auf, wurde mit zehn Jahren kenianischer Jugendmeister und spielte in der Tennismannschaft seines Internats. Seine Faszination für den Sport hat er in dem eben zitierten Essay niedergeschrieben, erschienen im Buch «Meine Olympiade». Darin schildert er, wie er innerhalb von vier Jahren alle 80 olympischen Disziplinen trainiert hat. Die Schönheit des Tennisspiels beschäftigt ihn aber nach wie vor: «Tennis besteht ja im Gegensatz zum Badminton überwiegend aus horizontalen Achsen, bei längeren Ballwechseln ist es ja immer eine halbe Pirouette, also man dreht sich, wenn man den Schlag perfekt macht, immer etwas zur Seite und schwingt durch den Ball und vollzieht die zweite Hälfte dieser Pirouette. Auch die vielen kleinen Schritte haben etwas von Tanzen. Und das hat für mich etwas Betörendes.»

EXKLUSIVITÄT UND ELEGANZ VON ANFANG AN

Tennis als Tanz, als schöne Kunst – so ist es nicht erstaunlich, dass eine mögliche Erklärung des Begriffs «Tennis» eine Ableitung vom deutschen Wort «Tanz» ist. 

Eine zweite Theorie geht davon aus, dass «Tennis» auf den französischen Ausruf «Tenez!» zurückgeht, was «Nehmt oder haltet den Ball!» bedeutet.

Beim «Jeu de Paume», dem Vorläufer des Tennisspiels im 13. Jahrhundert, wurde ein Ball mit den Handinnenflächen in einem rechteckigen Feld über ein Netz gespielt, überwiegend in Klöstern und fürstlichen Höfen. Exklusivität und Eleganz prägten Tennis, den späteren «weissen Sport», also bereits in seiner Geburtsstunde. 

Das heutige Spiel entstand schliesslich im Zuge der ersten Meisterschaften in Wimbledon im Juli 1877. 

Die Erfolge der Athleten sind natürlich förderlich für Ruhm und Popularität einer Sportart. Doch um das Ausserordentliche am Tennissport zu erkennen, braucht man nicht unbedingt grosse Leistungen von Superstars. Es reicht, genau hinzuschauen. Denn: «Tennis ist der schönste Sport der Welt», sagen seine Fans. Ein Sport, der im Bewegungsablauf unglaublich anspruchsvoll ist. Der zugleich Gefühl für den Ball sowie Kraft und Schnelligkeit erfordert, ähnlich wie beim Golfen. 

Laufen, schlagen, den Gegner jagen – Tennis ist in Taktik und Dramatik einzigartig und erfordert strategisches Denken wie beim Schach sowie mentale Stärke. Tennis fesselt durch sein rhythmisches Hin und Her Zuschauer vor dem Fernseher und in den Tennisarenen.

Anne-Sophie Mutter (Stargeigerin) sagt über den Tennissport: «Schon als Teenager habe ich mich für Tennis interessiert, ich war ein grosser Fan von Borg und McEnroe, von dieser Generation, die ich leidenschaftlich bewundert habe. Natürlich war ich auch absolut im Boris-Becker-Fieber, als er, gerade mal 17 Jahre jung, Wimbledon gewann. Aber dann kam eine Tennispause, und plötzlich tauchte Roger Federer auf. Wenn man einmal Roger Federer gesehen hat, dann muss man dieser Ästhetik, dieser Eleganz, dieser ganz wunderbaren poetischen Spielweise verfallen. Ich kann gar nicht verstehen, wie man Fan von einem anderen lebenden Tennisspieler sein kann, wenn man Roger Federer gesehen hat.»

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TENNIS – DAS IST POESIE IN BEWEGUNG

Auch der US-Schriftsteller David Foster Wallace hatte von Roger Federer geschwärmt. Wallace, der sich 2008 im Alter von 46 Jahren das Leben nahm, war in seiner Jugend selbst ein erfolgreicher Tennisspieler gewesen. Auch in seinen literarischen Werken hat er sich immer wieder mit diesem Sport auseinandergesetzt.

So hat er fünf Essays über Tennis zusammengefasst und in einem Band mit dem schönen Titel «String Theorie» veröffentlicht. «Poesie in Bewegung» heisst der Titel in der deutschen Übersetzung. «Federer in Weiss auf dem Wimbledon-Rasen ist wie ein Wesen aus Fleisch und Licht.» David Foster Wallace ist es gelungen, in diesem und in anderen Texten Athletik und Psychologie des Tennisspiels zu transzendieren und zugleich lebendig zu machen.

MATCHES, DIE IN DIE GESCHICHTE EINGINGEN

Das Drama auf dem Centre Court – in diesem speziellen Fall trifft der Vergleich natürlich auf tragische Weise zu. Aber so manches Fünf-Satz-Match ist tatsächlich ein Drama in fünf Akten. Das sind zum Beispiel legendäre Begegnungen wie das Wimbledon-Finale 1980, als Björn Borg John McEnroe mit 8:6 im fünften Satz besiegte. Oder der Kampf zwischen Boris Becker und McEnroe beim Davis-Cup 1987 in Hartford, der sechs Stunden und 21 Minuten dauerte und in dem am Ende Becker die Oberhand behielt.

Das letzte Fünf-Satz-Match im Frauentennis bestritten Steffi Graf und Martina Hingis 1996 bei den WTA Finals in New York, Steffi Graf gewann den fünften Satz mit 6:0. 

Auch das bereits erwähnte Wimbledon-Finale 2009 zwischen Roger Federer und Andy Roddick, das Federer im fünften Satz mit 16:14 für sich entschied, ging in die Geschichte ein. Ein absolut episches Match. Ein Spiel, das man – zumindest als Tennisfan – nie vergessen wird. Da war ein Federer in einem unvergleichlichen Flow. Ihm gelang einfach alles. Bei solchen Spielen entscheidet am Ende nicht unbedingt das Können über Sieg oder Niederlage – sondern nur der Kopf. 

Das längste Tennismatch aller Zeiten ist gar noch nicht so lange her. Das Spiel zwischen John Isner und Nicolas Mahut begann am 22. Juni 2010 in Wimbledon 

und zog sich über drei Tage hin. Mit einer Länge von 11 Stunden und fünf Minuten reiner Spielzeit ist dies die längste Begegnung der Tennis-Geschichte. Das Ergebnis lautete: 6:4 / 3:6 / 6:7 (7:9) 7:6 (7:3) und 70:68 für John Isner. Allein der fünfte Satz dauerte acht Stunden und elf Minuten! 

Die Psyche ist im Tennissport extrem wichtig. Allein auf dem Platz, ohne Beistand von Mannschaftskollegen und Trainern, wird so manche Partie zum Nervenkrieg. Ein einziger verlorener Punkt – und ein Match kann kippen.

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