Der Neurochirurgie verschrieben – Interview

Die Neurochirurgie war schon immer seine Leidenschaft. In den vergangenen 30 Jahren hat Prof. Dr. med. Javier Fandino bei über 1000 Patientinnen und Patienten Eingriffe bei Hirntumoren durchgeführt und zudem noch über 3000 Wirbelsäulenerkrankungen operativ behandelt. In der Hirslanden-Klink Aarau habe ich mich mit Professor Fandino für ein Interview verabredet. – Interview mit R.Laemmel

Professor Dr. med. Javier Fandino

«t&s»: Herr Professor Fandino, Sie gelten in der Schweiz als einer der Besten Ihres Faches. Ihr Name tönt lateinisch. Wo liegen Ihre Wurzeln?

Prof. Dr. med. Javier Fandino: Ich bin als Auslandschweizer in Cartagena, Kolumbien (karibische Küste), aufgewachsen. Mein Name Fandino hat Wurzeln in Galizien («Fandiño»); meine Mutter ist in Einsiedeln (SZ) geboren und aufgewachsen. 

Kann man Neurochirurgie einfach so studieren oder benötigt dieses Fachgebiet gewisse Voraussetzungen?

Es ist ein langer Weg. Nach dem Medizinstudium dauerte die Ausbildung circa acht Jahre. Die chirurgische Erfahrung einige Jahre länger. Der Lernprozess ging weiter bis heute. In der Neurochirurgie sind die Anzahl der durchgeführten Operationen sowie das Wissen über die Hirnanatomie und die persönlichen «Skills» für den Erfolg einer Operation entscheidend. Nach 33 Jahren lerne ich noch immer weiter dazu …

3D-Darstellung von Nervenzellen (Gehirnchirurgie)

Wie kommen Ihre Patienten in der Regel zu Ihnen? Direkt, via Krankenhaus oder werden sie vom Hausarzt überwiesen?

Alle Wege sind möglich: durch den Hausarzt, Selbstzuweisungen oder via Institutionen/Spitäler. Ich freue mich immer, jede Patientin/jeder Patient ist eine neue Erfahrung.

Was begeistert Sie besonders an diesem doch nicht ganz so einfachen Fachgebiet?

Die Kombination zwischen Wissen und Handarbeit. Jeder Patient hat Sorgen, eine Diagnose, eine Prognose. Mich beschäftigen immer die Existenz der Menschen und die Lebensqualität nach meinen Behandlungen.

Schmerzanalyse mit dem Patienten

Neurochirurgie tönt so klinisch, ja fast steril. Was darf der Laie, einfach ausgedrückt, darunter verstehen?

Steril? Sicher nicht! Ich habe mit Menschen zu tun, bei welchen ich Hirn- und Rückenoperationen durchführen darf. Dies ist alles mit Erwartungen und Pflichten verbunden. Mein Job erfüllt alle Dimensionen des Menschen.

Wo und an welchen Universitäten genossen Sie Ihre Ausbildung?

Meine Ausbildung in Neurochirurgie habe ich an den Universitätsspitälern Zürich und Bern sowie in den USA (Virginia und Cincinnati) absolviert. Danach war ich Oberarzt, Leitender Arzt und Chefarzt  am Kantonsspital Aarau, bevor ich meine Praxis in der Klinik Hirslanden eröffnet habe (siehe CV). 

Als Belegarzt arbeiten Sie in der Hirslanden-Gruppe. Was bedeutet eigentlich der Begriff Belegarzt? Arbeiten Sie auf eigene Rechnung?

Als Belegarzt dürfen ich und meine Patienten die Infrastruktur der Klinken benützen. Die Hotellerie, Technologie und persönliche Betreuung sind ein Plus für alle.

Wie gross ist die Chance, dass man einen Hirntumor überlebt? Hat sich diesbezüglich in den letzten Jahren etwas getan?

Es gibt viele Tumortypen im Gehirn: gutartige und bösartige. Die Diagnose ist heutzutage sehr komplex und benötigt fast immer die Analyse von Gewebe (Operation oder Biopsie). Die Qualität der Operation ist entscheidend für die Prognose. Bei bösartigen Hirntumoren ist die Lebenserwartung länger geworden, leider sind viele Tumore immer noch nicht heilbar. Gutartige Hirntumore hingegen könne mit einer Operation geheilt werden.   

Unser Gehirn ist die Steuerzentrale für lebenswichtige Abläufe im Körper
 

Wovor fürchten sich Patienten am meisten vor einer OP?

Interessanterweise liegt die grosse Angst bei der Narkose. Die Verschlechterung der Hirn- oder der kognitiven Funktionen wird häufig angesprochen. 

Wie oft in der Woche operieren Sie und wo?

3 bis 4 Tage pro Woche, circa 10 Patienten pro Woche: Kopf- und Rückenoperationen.

Wie weit sind Roboting, Laser und Künstliche Intelligenz (KI) schon in Bezug auf Operationen am Hirn? Arbeiten auch Sie mit diesen modernen Technologien?

Wir profitieren seit viele Jahren von der intraoperativen Technologie: Navigationsgeräte helfen uns täglich, beispielsweise die exakte Lokalisation der Tumore zu orten. Andere Mittel wie beispielsweise Monitoring der Hirnfunktion während der Operation sind nicht wegzudenken. 

Magnetresonanzbilder vom Gehirn

Sie unterstützen den regionalen Spitzenclub, den FC Dietikon. Wie kam es dazu?

Durch meine Freundschaft mit Dr. Claudio Lorenzet, Präsident des Clubs, einer der besten Hausärzte der Schweiz: fachlich, aber auch menschlich. Da ich und meine Töchter im Limmattal wohnen, ist das für mich eine grosse Freude. Ich bin stolz.

Was würden Sie in Ihrem Leben anders machen, wenn Sie noch einmal von vorne beginnen könnten?

Nichts. Mein Beruf ist auch mein Hobby. Er erfüllt mein Leben.

Glauben Sie an Gott?

Ja, ich bin jedoch nicht religiös. Als Hirnchirurg hat Gott keinen Namen, die Kraft der Natur und deren Ursprung sind wichtiger.

Bitte beantworten Sie die folgenden Fragen nur mit einem kurzen Satz oder einem Wort:

Familie:
Meine Motivation, auch wenn ich sie wenig sehe.
Kolumbien:
Kindheit, Menschen, Farben und Musik zusammen. Die Geschichte der Welt trifft sich dort.
Rotwein oder Weisswein?:
Rotwein, definitiv.
Lieblingsferiendestination Sommer:
Südamerika
Lieblingsferiendestination Winter:
Zermatt
Bevorzugte Musik:
Salsa, Bach
Hobbys:
Neurochirurgie, Tanzen, Segeln
Ihr Vorbild in Bezug auf Chirurgie:
Frauen in der Chirurgie, die heutzutage einen Weg finden müssen zwischen Beruf und Familie.
Mit welcher Persönlichkeit würden Sie gerne einen Abend verbringen?:
Shakira
Mein Wunsch für 2023:
Mehr Zeit für alles. Mehr Geduld mit mir selber.