Im Netz wimmelt es nur so von Verschwörungstheorien: «Corona ist eine Biowaffe, Bill Gates hat das Coronavirus ausgenutzt, Flugzeuge sprühen Gift in den Himmel (Kondensstreifen), Elvis lebt und die Erde ist eine Scheibe.» Warum glauben Leute an so was? «Die Mondlandung gab es gar nicht, 9/11 war ein inszenierter Fake, Elvis (1935–1977) lebt, Hitler auch, Hillary Clinton (72) leitet einen Kinderpornoring» und so weiter. Das glauben Sie vermutlich alles nicht? Und wie sieht es aus mit den Ausserirdischen und Gruppen (z. B. die Templer), die die Weltherrschaft anstreben?

MEHR ÖFFENTLICHKEIT

YouTube, Facebook oder Google geben zu diesen Stichworten Dutzende Treffer aus. Webpages wie «legitim.ch», auf denen Fake News mit Verschwörungstheorien vermischt werden, scheinen nur so zu spriessen. Wer damit anfängt, begibt sich ins Reich Gaga. «Angela Merkel (65) ist Hitlers Tochter, unter dem Nordpol wohnen Aliens und die Schweizer Regierung wird von ‹Illuminati› kontrolliert.» Immer mehr Menschen scheinen so etwas zu glauben. «Stimmt nicht», sagt der Kulturwissenschaftler Michael Butter (42) in seinem Buch «Nichts ist, wie es scheint». Verschwörungstheorien habe es zu allen Zeiten gegeben. Nur die Verbreitungswege und ihre Öffentlichkeitswirkung seien heute grösser. Den Rest besorgen Algorithmen, die Nutzerinnen und Nutzern Inhalte anzeigen, für die sie sich schon einmal interessierten. «Wer an eine Verschwörungstheorie glaubt, glaubt meistens auch noch an weitere», berichten die Radioautoren Walter Filz (60) und Michael Lissek (50). Die beiden haben sich für das satirische Hörspiel «Akte 88», in dem es um das angebliche Überleben Adolf Hitlers (1889–1945) geht, monatelang mit «wissenden Kreisen» beschäftigt. Was nicht heisst, dass es keine Verschwörungen gibt. Die meisten flogen allerdings relativ bald auf und umfassten einen kleinen Personenkreis. Intrigen, Abhörskandale und Massenüberwachungen gibt es indessen wirklich. Die CIA führte in den 1960er-Jahren beispielsweise (erfolglose) Experimente zur Gedankenkontrolle durch. Viele Einzelheiten zu 9/11 sind technisch noch immer nicht endgültig geklärt. Ungelöste Kriminalfälle verlangen nach einer Erklärung.

©[andron19821982]123RF.com
GANZ NATÜRLICH

Eine Erklärung für Unerklärliches zu suchen, sei ein ganz natürlicher Vorgang, sagen Psychologen. Das menschliche Gehirn versucht, in allem ein Muster zu erkennen, auch wenn es erst einmal keines gibt. Im besten Fall führt das zu neuen Erkenntnissen. Anfällig dafür ist mehr oder weniger jeder. Wer nicht an die flache Erde glaubt, vermutet vielleicht eine Intrige in der Nachbarschaft. Zweifel gibt es an fast allem, deshalb wirken solche Theorien. Rassistische und antisemitische Verschwörungstheorien wie die Geschichte der «Brunnenvergiftung» oder die Hexenverfolgung haben vielen Menschen das Leben gekostet. 2014 sah sich der damalige Premierminister Neuseelands sogar genötigt, öffentlich zu erklären, er sei kein Reptil. Das ist schon fast wieder lustig.

WOHER KOMMEN VERSCHWÖRUNGSTHEORIEN? 

Verschwörungstheorien tauchen oft als einfache Erklärung für ein hochwirksames Phänomen auf, dass das Leben der Menschen verändern kann. Es geschah mit der Ermordung von John F. Kennedy, mit den Anschlägen des 11. September in den Vereinigten Staaten und jetzt mit der Coronavirus-Pandemie. Theorien wie «5G-Antennen verbreiten Coronaviren» sind aus der Unmöglichkeit geboren zu verstehen, wie eine Pandemie funktionieren kann.

René J. Laemmel, Verleger & Chefredaktor

Quelle Beitragsbild: ©[nomadsoul1]123RF.com

Auch diese Artikel könnten Sie interessieren: